Begegnungschancen

Am 14. November fand der erste Begegnungsabend von „Einsiedle mitenand“ statt. Einheimische, Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge verbrachten einen spannend konzipierten Begegnungsabend. Und begegneten sich mit viel Lachen, Zufriedenheit – trotz der sprachlichen Hindernisse.

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Begegnung beim Deutschlernen, Essen und Spielen: das dreiteilige Konzept des Begegnungsabends.

sar. 16.30 Uhr. Etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Abends erhalten letzte Instruktionen. Wie viele werden wohl der Einladung zum ersten Begegnungsabend folgen werden? Während im Saal die letzten Vorbereitungen abgeschlossen werden, wird in der Küche schon Gemüse geschnitten, es duftet nach frischem Lauch. Zwei Frauen üben kurz an einem der Tische das Kennenlern-Würfelspiel. „Wie ist dein Name?“ „Heidi“. „Das tönt aber nicht so fremdländisch!“ Lachen.

Nicht mehr völlig fremd

17.00 Uhr. Im Foyer stehen zwei Bistrotische mit Selbstklebeetiketten für den Namen. Das sorgt schon für erste Zungenbrecher. Aber wenn ein Name erst mal in Buchstaben da steht, fällt die Aussprache schon etwas leichter. Zu Beginn sind die einheimischen Gastgeber noch klar in der Mehrzahl. Doch die Verhältnisse gleichen sich mit dem Eintreffen der zahlreich eintreffenden ausländischen Besucher immer mehr an. Am Ende sind die beiden Gruppen fast gleich gross. Fast 90 Personen sind zusammen. Die Herkunftsländer sind vielfältig, das ist schon bei der Begrüssung sichtbar. Das „Grüezi“ an der Türe zum Saal ertönt in ganz verschiedenen Akzenten. Man sucht sich einen Platz an den Tischgruppen und und schon führt der Projektleiter Sepp Bisig in den Abend ein. Der erste Teil widmet sich dem Deutschtraining. Die Atmosphäre ist schnell gelöst. Je nach Deutschkenntnissen geraten die Antworten im einfachen Würfelspiel ausführlicher oder kürzer. Aber man spricht. Hört aufmerksam zu. Schaut sich interessiert an. Begegnungen entstehen. Namen und Gesichter werden vertrauter. Das spürt man nach mehreren Gruppenwechseln beim späteren Gang zum gemeinsamen Essen. Da wird der eine und andere ehemalige Tischnachbar wieder angesprochen, den man erst vor einer knappen Stunde zum ersten Mal gesehen hat. Niemand ist mehr völlig fremd.

Integration braucht zwei Seiten

Das Konzept ist spannend. Drei Hauptteile „Deutsch sprechen“, „Essen“, „Gemeinsam Spielen“ gehören zu jedem Abend. Die sorgfältigen Vorbereitungen bis zum Projektstart liefen schon seit Frühjahr. „Einsiedle mitenand“ ist eine Zusammenarbeit aller drei Kirchgemeinden in Einsiedeln. Der ehrenamtliche Mitarbeiterstab kommt aus der Katholischen Pfarrei, der Reformierten Kirche und der Freien Evangelischen Gemeinde. Auch finanziell wird das Projekt von den drei Kirchen getragen. Fast zeitgleich dachte man in den verschiedenen Kirchen über das Engagement im Bereich Integration nach. Und im Austausch wurde klar: Begegnung zwischen Einheimischen und Fremden tut not. „Integration braucht zwei Seiten“. So versteht sich das Projekt auch bewusst als christlich motiviertes „Begegnungsangebot“ und nicht als Beratungstelle oder materielle Hilfsorganisation. Durch Respekt und der Annahme von Menschen aus anderen Kulturen soll Christsein gelebt werden. Dass dieses Anliegen bei Einheimischen auf so sichtbare Bereitschaft gestossen ist, verdankte Sepp Bisig mit Freude. „Ich habe davon gehört und gleich gedacht: das gibt neue Begegnungen. Da werde ich dabei sein“, meinte eine ältere Dame an meinem Tisch. Gefragt, wie sie den Abend erlebt habe, meinte sie lächelnd: „Es waren wirklich nette Begegnungen. Ich liebe es, andere Kulturen kennen zu lernen. Sonst lese ich viel darüber. Jetzt sind es konkrete Menschen, denen ich hier begegnen kann.“

Ängste können überwunden werden

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„Integration braucht zwei Seiten – die Begegnung zwischen Einheimischen und Fremden“

Wieviele Ängste mit der Integration einhergehen, wird ausgiebig in den Medien thematisiert. Oft bleibt die Diskussion jedoch an diesem Punkt stehen. Es bleibt unklar, was mit den Ängsten geschieht. Geschehen soll. Im Gespräch mit einem Syrer, der bei der letzten Spielrunde an meinem Tisch sass, höre ich spannende Gedanken dazu. Er erzählt mir, dass ihm als Flüchtling die Ängste der Einheimischen nur zu bewusst sind. Er versteht es nur zu gut, dass Verunsicherung herrscht. Man müsste sich persönlicher kennen lernen können. Und reden miteinander. Nur so können Verständnis und Vertrauen entstehen. Und dann erzählt er mir, dass auch Flüchtlinge Ängste haben. Die Angst, sich im neuen Land falsch zu verhalten und unbekannte Normen zu verletzen. Man brauche als Ausländer eine Menge Wissen. Und dazu sei wieder das gegenseitige Gespräch nötig. Anders könne man nicht lernen, sich anzupassen. Und darum sei er so gern an diesen Begegnungsabend gekommen. Ein solches Angebot sei sehr willkommen und sehr nötig. Sein Deutsch ist schon sehr gut. Er ist kurz vor dem Abschluss seiner letzten Deutschkurse und und hofft, bald eine feste Arbeit antreten zu können. Seinen Namen habe ich auch noch nach dem Abend im Gedächnis.

Selbst einmal mit dabei sein?

Die Begegnungsabende werden künftig zwei Mal im Monat stattfinden. Wer selbst einmal dabei sein möchte und mehr Informationen sucht, findet diese inkl. der nächsten Termine auf der Webseite von „Einsiedle mitenand„. Man kann ohne Anmeldung an einem der nächsten Begegnungsabende teilnehmen und selbst Begegnungen schenken und selbst erleben. Ein kleiner Schritt für einen einzelnen Menschen – aber ein grosser für mehr Menschlichkeit. Und last but not least ist es auch ein konkreter Schritt, mit christlicher Gesinnung nicht bei Ängsten stehen zu bleiben, sondern dem Nächsten zu begegnen.

www.einsiedle-mitenand.ch

Lesetipp zum Thema Integration: Der Fremde, mein Nächster

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