Mehr Weitblick

Sloweniens Natur

Slowenien ist bekannt für seine Naturparks.

Horizonte: Slowenien und die Bibel

„Das Christentum prägte jahrhundertelang die Kultur des slowenischen Volkes und beeinflusste im bedeutenden Maße seine Geschichte. Die erkennbarsten Einflüsse des Christentums in Slowenien werden durch Sakralobjekte, welchen Sie fast auf Schritt und Tritt begegnen und die einen unüberschätzbaren Teil des Kulturerbes darstellen, deutlich.“ So lautet es auf der offiziellen Tourismusseite Sloweniens (www.slovenia.info). Hat der Glaube an Jesus Christus heute noch Bedeutung in Slowenien? Die erste Bibel wurde von Reformator Primus Truber 1553-1561 ins Slowenische übersetzt. Seither sind rund 450 Jahre vergangen. Was geschah damals in der Reformationszeit? Warum avancierte die Bibel in der eigenen Sprache nach dem Mittelalter zur Volkslektüre? Welchen Einfluss hatte der Glaube – und welcher Glaube – auf die Kultur eines Volkes? Wurde es friedlicher? Wohlhabender? Ärmer? Zerstrittener? Drago Šorl, Leiter von „Christus für alle“ in Slowenien (CFA), berichtet über die mittlerweile 18-jährige Literaturarbeit seit der politischen Öffnung in Slowenien. Die slowenische Bibelgesellschaft hat eine neue Bibelübersetzung fertiggestellt und will diese über Schulen und Läden unter die Leute bringen. Eine Geschichte in den Spuren der Reformationszeit?

Geschichtsbewusstsein – eine vergessene Dimension

Es gibt Dinge, die bleiben im normalen Alltagstrott unentdeckt. Und weil es um „Unentdecktes“ geht, wird uns leider auch nie bewusst, dass wir an wichtigen Schätzen vorbeigeeilt sind. Geschichtsbewusstsein und der Sinn für grössere Zusammenhänge gehört zu diesen unentdeckten Schätzen. Auch wir sind immer Teil der Geschichte. Nur, dass wir in der Gegenwart keinen rechten Überblick haben, wo die grossen Linien verlaufen. Es ist wie beim Besuch von Tante Grete früher. Sie tätschelte deinen Kopf und staunte über das Wachstum und die sichtbaren Veränderungen, während der Rest der Familie schmunzelte. Aber Recht hatte sie, die Tante. Wer nur in der Gegenwart lebt, bemerkt die Veränderungen nicht. Und hat aus diesem Grund oft auch keine Orientierung, wenn es um Entscheidungen für die Zukunft geht. Joseph Joubert drückt es so aus: „Wer für die Zukunft sorgen will, muß die Vergangenheit mit Ehrfurcht und die Gegenwart mit Mißtrauen aufnehmen.“

Geschichte und Glaube

Primus Truber

Primus Truber, (1508-1686) der Reformator Sloweniens, der aus dem Exil wirkte.

Auch Glaube ist Teil der Geschichte. So seltsam das für unsere Zeit klingt, die Glaube immer mit „ganz persönlichen, inneren Empfindungen“ gleichsetzt. Wer’s nicht glaubt, sollte einmal mit offenen Augen durch sein Dorf spazieren und auf sichtbare Spuren des Glaubens achten. Da gibt es Kapellen, Kirchen, Wegkreuze, Inschriften und Denkmäler. Aber damit ist nur das Offensichtliche benannt. Tiefer gesehen entdeckt man von Mentalitäten über Staatsstrukturen bis hin zu Spitälern und Sozialeinrichtungen, zahlreiche Belege, die auf den Glauben konkreter Personen zurückgehen. Manchmal prägen gelebte Errungenschaften des Glaubens eine Kultur sogar nachhaltig. Natürlich ist nichts ewig. Geschichte ist auch ein endloser Kampf gegen den Zerfall. Wer aber die positive Seite der Geschichte erforscht, wird zum Lohn einige Schätze gewinnen. Weitblick, grössere Zusammenhänge zu erkennen. Mut, kleine Veränderungen zu wagen, die zu Grösserem werden können. Trost, dass grössere Veränderungen ihre Zeit brauchen. Ermutigung durch Vorbilder, die ihre verantwortung wahrgenommen haben. Letztlich ist es eine Investition in die Zukunft, wenn wir Geschichte zu verstehen suchen. Der Schlusssatz stammt von Blaise Pascal: „Die Vergangenheit und die Gegenwart sind unsere Mittel. Die Zukunft allein ist unser Zweck.“

Wie können wir geschichtsbewusster leben?

Da gibt es einiges im Leben als Christ, das vielleicht nur wieder neu bewusst werden muss. Hier einige Anregungen, das schon vorhandene Potenzial zu nutzen. Geschichtsbewusst leben ist einfacher, als es auf den ersten Blick scheint.

1. Geschichtsbewusster durch Schmökern in der Bibel
Was ist die Bibel anderes, als ein Blick in die Geschichte. In „Gottes Geschichte“ müsste man vielleicht präzisieren. Sie beschreibt Geschichte mit konkreten Menschen, kantig, unvollkommen, manchmal ohne Happy-End. Es lohnt sich, die Bibel immer wieder mit der Brille des geschichtlichen Weitblicks zu lesen. Was war in jener Zeit los? Wie dachten die Leute? Was waren ihre Themen und Herausforderungen? Um Antworten zu finden, braucht man kein Theologieprofessor zu werden. Viele Angaben zum Hintergrund der Zeit sind schon Teil der Bibel. Vielleicht fällt das nur denjenigen auf, die tatsächlich in der Bibel lesen und ihr Wissen über die Bibel nicht aus dem letzten Spiegel-Artikel oder der NZZ haben. Aber die Bibel enthält neben den „richtig religiösen“ Stellen, die wir als Kinder auswenig gelernt haben, eine enorme Menge an Geschichten, Erläuterungen, Berichte, Rückblicke. Geschichte eben.

2. Geschichtsbewusster durch Danken und Feiern
Wer Gründe zum Danken und Feiern sucht, wird beginnen, geschichtlich zu denken. Was ist Dank anderes, als eine positive Tatsache oder gar Veränderung in der Vergangenheit zu bemerken? Echte Dankbarkeit ist mit den Sinnen zu fühlen. Das „Herz voll Dank“ ist eine ganzheitliche Erfahrung. Sie leuchtet in den „dankbaren Augen“ und wird sichtbar im beschwingten Gang und dem „herzlichen Händeschütteln“. Der Weg zur Dankbarkeitserfahrung ist erstaunlicherweise aber oft eine gedankliche Auseinandersetzung mit der Geschichte. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Psalm 103). Das funktioniert innerhalb der eigenen Geschichte eines Christen. Und es geht sogar noch darüber hinaus: selbst der Blick auf die Geschichte von anderen Christen, ob lang vor unserer Zeit oder erst kürzlich passiert, lässt die Frucht der Dankbarkeit und des Staunens reifen. Und dieser letzte Punkt soll noch bewusster vertieft werden.

3. Geschichtsbewusster durch „Horizonte“
Es ist wichtig, dass wir als Gemeinde geschichtsbewusst leben. Dass wir unseren Glauben eingebettet erleben in Gottes grosse Geschichte mit der ganzen Welt. Das ist fotografisch gesprochen der Fokus Richtung „Unendlich“. Auf der anderen Seite brauchen wir den Fokus auf das „hier und jetzt“, wo unsere Entscheidungen getroffen werden. Auch wir als Gemeinde treffen geschichtliche Entscheide. Alles ist Entscheidung, wenn man es konsequent anwendet: etwas zu tun genauso wie etwas zu unterlassen. Etwas zu sehen genauso wie etwas zu ignorieren. Etwas zu sagen genauso wie zu schweigen. Das ist der Fokus Richtung „Detail“.

FlyerDiesen Blickwinkel nehmen die Anlässe unter dem Titel  „Horizonte“ ins Visier. Sie helfen, einen Blick über den Tellerrand der Gegenwart und unseres persönlichen Umfelds zu werfen. Kirchengeschichte. Politik. Weltmission. Gesellschaftliche Fragen. Hintergründe von Entwicklungen… Themenbereiche wie diese bekommen im normalen Gemeindealltag von Kleingruppen, Gottesdienst, Seelsorge oder Gebet nicht immer einen Platz. „Horizonte“ kann ein besonderer Gottesdienst sein. Oder ein Gebetsabend unter einem speziellen Thema. Oder ein Vortrag. Ein Filmabend mit anschliessender Diskussion an der Bar. „Horizonte“ ist  ein Experiment. Und in diesem Sinn bin ich froh um Rückmeldungen, wie das wichtige Anliegen, mehr Geschichtsbewusstsein zu pflegen, im rechten Mass gelebt werden kann.

Samuel Rath

Flyer

Info: CFA ist auch in der Schweiz durch Aktionen wie z.B. die Migros-Bibel“ (DAS NEUE) bekannt geworden. Die Idee für den ersten „Horizonte“Anlass entstand im Zusammenhang mit dem Angebot, dass Drago Šorl im Mai 2010 in der Schweiz weilt und kurzfristig für Hintergrundberichte zur Verfügung steht.

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